Auf dem Weg zur CO2-Neutralität

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Was bedeutet es eigentlich, wenn man sich als mittelständisches Unternehmen das Ziel setzt, CO2-neutral zu werden: Was ist die Motivation, was sind die Ziele und was die Erfahrungen? Und wie reagiert man, wenn der Dienstleister, für dessen Hilfe man sich entschieden hat, plötzlich ausfällt? Das CDR-Magazin sprach darüber mit Josef Willkommer, einem der beiden Gründer der TechDivision GmbH – einem mehrfach ausgezeichneten IT- und E-Commerce-Dienstleister aus Bayern, der sich schon seit 2020 intensiv mit verschiedenen Handlungsfeldern der Corporate Digital Responsibility beschäftigt.

Wann habt Ihr damit begonnen, Euch mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen?

Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt mich persönlich schon lange. Wenn man sich die aktuellen Entwicklungen ansieht – beispielsweise Fast Fashion: Dort liegt der Fokus wie bei vielen anderen Themen auf „immer größer, schneller, mehr“. Dies sind Entwicklungen, die ich persönlich nicht unterstütze. Vor ungefähr vier Jahren habe ich angefangen, meinen persönlichen CO2-Fußabdruck, der für mich eine wichtige Komponente im Bereich der Nachhaltigkeit darstellt, zu analysieren, da ich als Vater von zwei Kindern ein lebenswertes Umfeld für sie hinterlassen möchte.

Nachhaltigkeit war und ist aber auch darüber hinaus wichtig. Deshalb haben wir das Thema bereits 2019 erstmals innerhalb der TechDivision besprochen. Im Zuge dessen habe ich mich früh über Dienstleister informiert, die im Hinblick auf CO2-Neutralität mittelständischen Unternehmen wie unserem helfen können.

Im Sommer 2021 haben wir dann konkret damit begonnen, das Thema CO2-Neutralität gezielt anzugehen. Anlass dafür war vor allem die Planung unseres neuen Büros. Dabei haben wir von Anfang an wichtige Parameter festgelegt: Zum Beispiel haben wir bei der Auswahl von Handwerkern darauf geachtet, dass sie möglichst regional arbeiten bzw. dass Möbel in Deutschland produziert werden, um Transportemissionen zu minimieren. Wir haben uns daher für einen passenden Möbellieferanten entschieden – ein mittelständisches deutsches Unternehmen, das in Deutschland produziert. Wir haben uns bei der diesbezüglichen Entscheidung natürlich auch davon leiten lassen, welche Möbel gut zu uns passen und wie funktional und hochwertig sie sind: Sie sollten zeitlos schön und möglichst langlebig sein. Neben einigen Holzböden haben wir uns auch beim Teppich für eine CO2 neutrale Variante entschieden. Solche Überlegungen sind für uns definitiv wichtig, um eine gesündere und nachhaltigere Zukunft zu schaffen. Darüber hinaus haben wir in den Toiletten beispielsweise Bewegungsmelder installiert, die dafür sorgen, dass das Licht auch nur dann an ist, wenn es wirklich benötigt wird. Eine intelligente Bürobeleuchtung sorgt dafür, dass die Arbeitsplätze optimal und effizient beleuchtet werden. Last but not least stammt der Strom und die Wärme von einem Blockheizkraftwerk.

Ich glaube, das Beispiel unserer Büroausstattung zeigt ganz gut, dass nachhaltiges Handeln auf lange Sicht nicht exorbitant teurer sein muss, sondern im Gegenteil: Es ist eher wirtschaftlicher.

Wie seid Ihr als Unternehmen vorgegangen?

Für das Thema Nachhaltigkeit haben wir eine Initiative gestartet, die mit Kollegen/innen unterschiedlichster Abteilungen besetzt ist und bei mir als Vertreter der Geschäftsleitung aufgehängt ist. Diese Initiative ist etwas, das für uns strategisch wichtig ist und über einen längeren Zeitraum läuft. Wir wollten es daher auch strategisch angehen und einen roten Faden durch unsere Bemühungen ziehen, um ein klares Ziel zu erreichen. Dies wurde insbesondere von unseren jüngeren Kollegen sehr positiv aufgenommen.

Wir haben dann versucht, uns schlau zu machen, wie wir das Thema im Detail angehen sollten. Dabei sind wir schnell zu dem Schluss gekommen, dass wir einen Dienstleister brauchen, der uns bei der Erstellung einer CO2-Bilanz als solides Fundament sowie bei der Bereitstellung weiterer Unterstützung und Beratung hilft. Wir haben verschiedene Anbieter evaluiert und uns schließlich für das Berliner Startup Planetly entschieden, das uns ein Tool zur Verfügung gestellt hat, welches uns Schritt für Schritt durch den Prozess führt und auch passende Referenzen hat. Dieser Dienstleister sollte federführend das Thema CO2-Neutralität begleiten.

Wir haben daraufhin Ende 2021 damit begonnen, Daten zu sammeln, um eine initiale CO2-Bilanz zu erstellen. Der erste große Meilenstein ist daher auch die Erstellung dieser Nullmessung als Basislinie. Wir standen dann Ende November 2021 kurz davor, unsere erste CO2-Bilanz zu finalisieren, die fast ein Jahr in Anspruch genommen hat, da wir unterschätzt haben, wie viele Daten wir sammeln und wie detailliert wir sie erheben müssen. Trotzdem ist es gut so, weil es zeigt, dass wir es ernst meinen und nicht aus Marketinggründen handeln. Wir haben eine hohe intrinsische Motivation, um das zu schaffen, weil wir glauben, dass jeder Einzelne und jedes Unternehmen einen Beitrag leisten muss, um die Welt zu verbessern. Schon parallel zur Nullmessung haben wir damit begonnen, CO2 zu reduzieren. Mit vorliegen unserer ersten CO2-Bilanz soll es dann aber erst richtig losgehen, da wir auf dieser Basis erst Maßnahmen gezielt priorisieren können.

Wenige Tage vor Präsentation unserer ersten CO2-Bilanz durch Planetly im November letzten Jahres wurden wir dann zu unserer Überraschung von Planetly darüber informiert, dass das Unternehmen, das Ende 2021 vom US-Softwareanbieter Onetrust übernommen wurde, mit sofortiger Wirkung geschlossen wird und die rund 200 Mitarbeiter fristlos gekündigt wurden. Für uns natürlich ein herber Rückschlag zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Daraufhin haben wir unsere Juristen damit beauftragt, die Zusammenarbeit mit Onetrust mit sofortiger Wirkung zu beenden und bis dahin bezahlte Ausgaben zurückzufordern. Aktuell sind wir hier noch in der Rückabwicklung, parallel aber bereits dabei, einen neuen Partner zu finden, der uns auf unserem Weg zur CO2-Neutralität begleiten soll. Insofern wurden wir hier in unserem Vorhaben auf der Zielgeraden massiv zurückgeworfen. Allerdings ändert dies nichts an unserer generellen Auffassung zum Thema und dessen Wichtigkeit für uns als Unternehmen.

Unabhängig von der ersten CO2-Bilanz haben wir in der Vergangenheit bereits diverse Maßnahmen zur CO2-Reduktion ergriffen. Für Dienstreisen nutzen wir inzwischen fast ausschließlich die Bahn, also kaum noch Flüge und haben hierzu auch eine interne Richtlinie verabschiedet. Zudem haben wir damit begonnen, unseren Fuhrpark auf E-Fahrzeuge und Hybrid-Fahrzeuge umzustellen. Diese können an unseren firmeneigenen Wallboxen mit Ökostrom geladen werden. Im IT-Bereich setzen wir auf Cloud-Lösungen sowie auf hochwertige, besonders langlebige Hardware. Gerade bei Hardware kann man viel tun, um den Stromverbrauch zu reduzieren und Kosten zu sparen. Allein mit dem Ersatz älterer Server durch deutlich effizientere, neue Hardware konnten wir signifikante Stromeinsparungen realisieren. Darüber hinaus achten wir natürlich auch auf den Einsatz von umweltfreundlichen Papier- und Druckerprodukten und haben bereits vor längerem begonnen, uns sukzessive hin zu einem möglichst papierlosen Büro zu entwickeln. Hierzu haben wir u.a. bereits vor der Corona-Pandemie begonnen, die Abwicklung von Vertragsmodalitäten überwiegend digital abzubilden.           

Wie konntet Ihr die Mitarbeiter für das Projekt begeistern?

Um unser Team für das Thema zu sensibilisieren, haben wir eine Landing Page im Intranet eingerichtet und regelmäßig Updates zu Zielen, Maßnahmen und dem aktuellen Stand veröffentlicht. Wir haben aber auch Foto-Wettbewerbe mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit veranstaltet und die Mitarbeiter aufgerufen, uns Beispiele aus ihrem Alltag zu liefern, mit denen man das Thema Nachhaltigkeit adressieren kann. Awareness bei unseren Mitarbeiter*Innen zu schaffen und idealerweise deren intrinsische Motivation nutzen und zu steigern, ist uns sehr wichtig. Natürlich möchte ich nicht verschweigen, dass die volle Unterstützung der Geschäftsführung für solche Initiativen von großem Vorteil ist.


Josef Willkommer ist Mitgründer und Geschäftsführer der TechDivision GmbH, einem der führenden Adobe-Partner für den Mittelstand in der DACH Region sowie offiziellem Akeneo- sowie Google-Partner. Josef beschäftigt sich seit Ende der 90er Jahre sehr intensiv mit Digitalisierungsthemen wobei der Schwerpunkt im Bereich E-Commerce, Online-Marketing und modernem Management liegt. Er ist zudem Initiator und Mitveranstalter der X-Conference, einer jährlich stattfindenden Konferenz zu Themen rund um die Digitale Transformation. Im Jahre 2020 stand die digitale X-Conference unter dem Motto der Corporate Digital Responsibility.

Des Weiteren ist Josef Herausgeber und Chef-Redakteur des quartalsweise erscheinenden eStrategy-Magazins sowie als Autor diverser Fachbeiträge rund um E-Commerce, Online-Marketing und Digitalisierung im Allgemeinen seit vielen Jahren auch journalistisch tätig. Neben diversen Beratungstätigkeiten für unterschiedlichste Unternehmen trifft man ihn bei diversen Fachkonferenzen zudem als Speaker zu E-Commerce-, (Online-)Marketing- und Management-Themen.

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Oliver Merx

arbeitet als Digital Consultant in München. Als ausgebildeteter Rechtsassessor mit Schwerpunkt Verwaltungsrecht interessiert ihn vor allem das Zusammenspiel von Recht und CDR. Er ist Gründer der 2019 gegründeten CDR-LinkedIn-Gruppe, Autor des CDR-Playbook, Mitgestalter der CDR-Building-Bloxx sowie des internationalen CDR-Manifesto. Seine CDR-Schwerpunkte liegen im Gesundheitswesen, der agilen Gesetzgebung sowie im KI-Kontext.