Veranstaltungen und Business-Meetings: Wandel durch Digitalisierung oder Digitalisierung durch Wandel?

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Wie lassen sich bei Präsenzmeetings global agierender Unternehmen CO2-Emissionen einsparen? Durch den Einsatz eines digitalen “Meeting Point Optimizers” (MPO) – einem Tool, das in einem innovativen Gemeinschaftsprojekt der Siemens AG und dem Münchner StartUp Convien entwickelt wurde und seit 2022 täglich eingesetzt wird.

Über die letzten Jahre hat sich die Meeting-Kultur durch die voranschreitende Digitalisierung in der Arbeitswelt stark verändert. Seit dem Ausbruch der Pandemie sind Videokonferenzen die neue Norm und die Anzahl an Vor-Ort-Meetings sinkt kontinuierlich. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass weltweit kontrovers diskutiert wird, ob es weiterhin notwendig ist, persönliche Meetings abzuhalten.

Dennoch sind die Vorteile eines persönlichen Meetings trotz der fortschreitenden Digitalisierung offensichtlich, da es bei gewissen Themen oder Anlässen den menschlichen Kontakt bedarf, um den optimalen Erfolg einer Veranstaltung oder eines Meetings zu gewährleisten. Gerade wenn die Bildung von Vertrauen, Kreativität oder schlichtweg der Auf- bzw. Ausbau von Beziehungen im Vordergrund stehen, sind Präsenzveranstaltungen unersetzlich. In diesem Fall sollte es jedoch eine unmissverständliche Zielsetzung sein, dass im Zeitalter von Nachhaltigkeit und Umweltschutz Geschäftsreisen und Verantwortungsbewusstsein nicht zwingend miteinander konkurrieren.

Vielmehr sollte es für uns alle ein ökologischer Imperativ sein, C02-Emissionen sowie unseren ökologischen Fußabdruck zu verringern und daher auch Vor-Ort-Meetings so nachhaltig wie möglich zu gestalten.

Wie die Digitalisierung dazu beitragen kann, genau das zu erreichen, zeigt die innovative  Idee des „Meeting Point Optimizer (MPO)“ – einem Gemeinschaftsprojekt des weltweit agierenden Konzerns Siemens AG und der CONVIEN GmbH, einem Start-Up aus München.

Die Digitalisierung als Schlüssel zur Nachhaltigkeit und Optimierung von Präsenzveranstaltungen und -meetings

Gerade bei Meetings mit einer Vielzahl von Teilnehmern aus aller Welt spielt die Suche nach dem optimalen, weil nachhaltigsten Tagungsort eine entscheidende Rolle. Laut den Empfehlungen des CODES-Aktionplans der UN kann ein digitaler Assistent das Lösungspotenzial für diese Aufgabenstellung bieten. Dieser digitale Assistent sollte bestmöglich eine Vielzahl von Informationen analysieren und auf Basis von intelligenten Algorithmen, KI-Systemen und Programmierschnittstellen (API) Ergebnisse darüber liefern, welcher Ort unter Berücksichtigung von vordefinierten Faktoren durch den Veranstalter, am nachhaltigsten ist. Natürlich gibt es neben der Nachhaltigkeit und der damit verbundenen CO2-Einsparung weitere Parameter wie Zeit und Kosten, die ebenfalls entscheidungsrelevant sind.

Der Meeting Point Optimizer (MPO) ist exakt dieser digitale Assistent. Es handelt sich dabei um eine Lösung, die alle relevanten Datenquellen integriert, den Planungsbedarf automatisiert erkennt und zudem eine optimale und benutzerfreundliche Oberfläche bietet, die ohne jegliche Vorkenntnisse uneingeschränkt genutzt werden kann.

Am Anfang war die Idee

Im Jahr 2009 waren der CEO und Gründer von CONVIEN, Christan Hieronimi, und Sven Rösler (Partner und Managing Consultant bei Global Marketing Services, eine interne Consulting-Einheit der Siemens AG) unabhängig voneinander der gleichen Meinung: für eine Dienstleistung, die es schafft, Reisen und Orte für Meetings effizienter, kostengünstiger und vor allem nachhaltiger zu machen, gibt es eine Marktlücke. Durch ihre jahrelange Erfahrung aufgrund vieler eigener, weltweiter Geschäftsreisen kennen beide die Herausforderungen bei solchen Meetings sehr gut. Einige Jahre später kreuzten sich ihre geschäftlichen Wege. Dabei formte sich ihre gemeinsame Vision, ein Tool zu entwickeln, das die Meetingplanung revolutioniert. Eine erfolgreiche Partnerschaft stand in den Startlöchern.

Während der ersten, gemeinsamen Analysen des Status Quo stellten beide Geschäftspartner fest, dass bei herkömmlichen Meetings die Wahl des Tagungsortes oftmals entweder auf den Standort des Organisators oder des ranghöchsten Teilnehmers fällt oder aus Gewohnheit auf einen schon öfter verwendeten Standort zurückgegriffen wird. Dass das nicht die optimale Situation im Hinblick auf Nachhaltigkeit widerspiegelt und es somit Platz für Optimierung gibt, ist offensichtlich. Diese Zielvorstellung, die sich aus der Status Quo Analyse ergab, brachte den Ansatz hervor, dass es eines neuartigen, wesentlich nachhaltigeren Verfahrens bedarf und die bisherige Vorgehensweise von Grund auf überdacht werden muss.

Konkret bestand nun das Hauptziel der gemeinsamen Partnerschaft darin, eine digitale Lösung zu schaffen, die einerseits unter Zuhilfenahme aller relevanten Datenquellen und mathematischer Algorithmen nahezu in real-time für unterschiedliche Standorte entscheidungsrelevante Kriterien, d.h. CO2-Emissionen und Kosten ermittelt und somit eine faktenbasierte, vollkommene Transparenz liefert. Andererseits bestand aber auch der Anspruch, die Bedienung sowie die prozessuale Integration möglichst simpel zu gestalten, so dass die Nutzung einer möglichst großen Anzahl an Usern bereitgestellt werden konnte. Durch die vollständige Transparenz hat nun jeder Mitarbeiter der Siemens AG global die Möglichkeit, einen Ort für ein Meeting zu wählen, welcher auf Grundlage von fundierten Daten hinsichtlich Nachhaltigkeit, Effizienz und Kosteneinsparung optimal ist, anstatt danach zu gehen, wo sich der Organisator befindet oder welche Stadt die Teilnehmer persönlich präferieren.

Um die Digitalisierung von nachhaltigen Arbeitsprozessen zu beschleunigen und Umsetzungszeiten zu verkürzen, sind Partnerschaften unerlässlich.

Christian Hieronimi, CEO Convien

Damit die Idee des MPO in die Realität umgesetzt werden konnte, hat sich im Jahr 2018 der Digitalisierungsspezialist und Experte auf dem Gebiet Automatisierung, die Siemens AG, mit dem Software-Startup CONVIEN GmbH zusammengetan.

Kurz vor Rollout kam die Pandemie

Beide Initiatoren waren hochmotiviert und setzten alles daran, das Tool so schnell wie möglich umzusetzen. Nicht vorherzusehen war allerdings die Pandemiesituation, die sich im Jahr 2020 auf die gesamte Welt erstreckte. Diese führte dazu, dass alle Reisen, inklusive der Geschäftsreisen, zum Erliegen kamen und somit keine persönlichen Treffen oder Meetings stattfinden konnten. Der Bedarf eines MPO war somit zwischenzeitlich kaum mehr vorhanden.

Aufgrund der Leidenschaft und der nicht nachlassenden Motivation beider Unternehmen kam der Gedanke des Aufgebens allerdings nie auf. Im Gegenteil, die Mitwirkenden nutzten die zunächst stillgelegte Einführung des MPO, um noch mehr technische Erweiterungen zu implementieren, die vollständige Integration in das Siemens-Eco-System zu vollenden und das Handling zu optimieren.

Endlich, im Jahr 2022, als auch das soziale Leben wieder Fahrt aufnahm und Meetings auf persönlicher Ebene vermehrt stattfanden, fand die Einführung des MPO bei den rund 300.000 Siemens-Mitarbeitern großen Anklang.

Mithilfe der innovativen Technologie von CONVIEN und den Ressourcen des Siemens-Konzerns konnte eine Webplattform implementiert werden, die vollständig auf die Bedürfnisse der Siemens-Mitarbeiter angepasst wurde, letztlich aber auch von anderen Unternehmen ohne größeren Zusatzaufwand adaptierbar ist.

Outlook Add-In zur einfachen Nutzung

Als zweiter, ebenso wichtiger Schritt wurde im Anschluss die Funktionalität des MPO in Microsoft Outlook als Add-In-Client zur Verfügung gestellt. So ist sichergestellt, dass auch für kleinere Meetings und Veranstaltung jeder „Normal User“ die vollständige Transparenz des MPO nutzen kann, ohne sein Standardplanungstool zu verlassen.

Grundsätzlich ermöglicht der MPO jedem Organisator mithilfe des übersichtlichen Dashboards eine optimale Planungsstruktur, ob für kleine oder große Meetings, national oder international. Es kann zwischen CO2-Emissionen, reinen Reise- und Hotelkosten sowie Vollkosten eines Meetings (Total Cost of Meeting, TCM) priorisiert werden, und zudem liefert das Tool Echtzeitdaten (wie z.B. Preise und Flugnummern) zu jeglichen Transportmitteln. Die innovativen Algorithmen, die Schnittstellen zu externen Datenquellen sowie das Single-Sign-On-Setup ermöglichen der Lösung, mit nur einer sehr geringen Menge an Daten optimale Ergebnisse zu liefern. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erwähnen, dass individuelle Tarife und Preise, die Siemens mit Fluggesellschaften, Hotels etc. verhandelt hat, natürlich Berücksichtigung finden.

Der Einsatz des MPO im vergangenen Jahr hat gezeigt, dass sich im Durchschnitt bei nahezu jedem berechneten Meeting ein Einsparungspotenzial von 20% und mehr hinsichtlich CO2-Emissionen und/oder Kosten ermitteln lässt. In Kombination mit den vorverhandelten Tarifen wird der MPO so zu einem absoluten Game-Changer.

Ein Berechnungsbeispiel ist nachfolgend zu sehen, wobei hinter jeder Kachel ein weiterer Deep-Dive möglich ist.

Abbildung 1: Vergleich mehrerer Meeting Points im MPO-Dashboard inkl. kalkulierter CO2-Emissionen

Während der Umsetzung wurde schnell klar, dass Validität, Integrität, Korrektheit und Relevanz der entsprechenden Daten von höchster Bedeutung sind, da diese schließlich maßgeblich für die Ortsauswahl eines Treffens und auch für die Entscheidung des Transportmittels sind.

Um dieser Bedeutsamkeit gerecht zu werden und vor allem im Bereich CO2-Emissionen qualitative und vertrauenswürdige Berechnungen bereitstellen zu können, hat sich das Team der CONVIEN und der Siemens AG einen weiteren Experten herangezogen. Mithilfe von Atmosfair, einer Non-Profit-Organization, wird durch die Standardisierung der CO2-Berechnungsprozesse die Genauigkeit der Resultate, die der Meeting Point Optimizer erzielt, entscheidend verbessert. Zudem ist Atmosfair auch grundsätzlich Partner von Siemens bei der Ermittlung von CO2-Emissionen, so dass in diesem Zusammenhang eine Konsistenz der Ergebnisse gegeben ist.

Der MPO ermöglicht es uns, schnell und einfach Nachhaltigkeit in unseren Berufsalltag zu integrieren. Dabei wird eine Transparenz bzgl. CO2-Emissionen und Kosten geschaffen, die es in dieser Form nie zuvor gab!

Sven Rösler, Partner und Managing Consultant bei Global Marketing Services, Siemens AG

Die Zukunft der Arbeit in einem vertrauten Umfeld

Während der Zeit der Pandemie lag der Fokus der Entwickler und Initiatoren darin, die Plattform noch bedienungsfreundlicher zu machen. Die Frage war, wie es möglich ist, das Tool vor allem auch da einzubinden, wo Meetings regelmäßig organisiert werden. So entstand während einer langen Brainstorming-Session die Idee der Microsoft-Outlook Add-In Erweiterung. Die wesentliche Zielsetzung bestand darin, einen Workflow zu entwickeln, bei dem ein Meeting Organisator zur Planung eines Meetings den Outlook-Kalender gar nicht mehr verlassen muss.

Die nun zur Verfügung stehende Add-In-Applikation hilft also im beruflichen Alltag sowohl den Organisatoren als auch den Meeting-Teilnehmer, ganz leicht verantwortungsbewusste Entscheidungen bezüglich Meeting-Destinationen und Reisemitteln zu treffen.

Die Funktionsweise ist, wie bei der Webanwendung, sehr benutzerfreundlich: der Organisator öffnet den eigenen Outlook-Kalender und startet das Add-In. Der Organisator fügt die entsprechenden E-Mail-Adressen aller Teilnehmer ein und der MPO zieht sich die Herkunftsorte der Personen automatisch aus dem internen Firmenverzeichnis. Auf Grundlage dieser Informationen können detaillierte Ergebnisse zu möglichen Treffpunkten und den jeweiligen CO2-Emissionen berechnet werden. In dieser Form kann eine größtmögliche Nutzerzahl adressiert werden, die so einen ökologischen Mehrwert stiftet – auf Dauer mit großer Sicherheit ein Gewinn für Siemens, aber auch ein Beitrag zu einer Änderung des individuellen, nachhaltigen Mindsets.

Abbildung 2: Outlook Add-In des MPO

Eine Vision wurde Wirklichkeit

Aktuell findet der MPO im täglichen Einsatz zunehmende Akzeptanz, so dass die CO2-Emissionen, die aus Meetings resultieren, kontinuierlich verringert werden können. Aber auch die positive Wirkung auf die Kosten, die in Verbindung zu Meetings stehen, ist signifikant. Bei den Organisatoren besticht vor allem die Benutzerfreundlichkeit und die Performance, mit der ein Meeting Organisator Transparenz bekommt und so fundierte Entscheidungen treffen kann.

CONVIEN und die Siemens AG arbeiten auch nach erfolgreicher Einführung weiter daran, das Tool stetig zu verbessern. Die Unternehmen möchten in gemeinsamer Zusammenarbeit den MPO an die ständigen Veränderungen des Marktes und der Nutzer anpassen. Die interne Vermarktung des Tools läuft weiterhin auf Hochtouren und der digitale Assistent gewinnt immer mehr Nutzer.

Der Meeting Point Optimizer hat eine klare Vision: einen positiven Wandel einleiten, sowohl für die Umwelt als auch für den Benutzer. Das Bewusstsein für den Nutzen und den positiven Effekt des MPO soll weiterhin gesteigert werden und dazu führen, dass immer mehr Unternehmen diesem Beispiel folgen.

Der Meeting Point Optimizer zeigt als Endprodukt der engagierten Zusammenarbeit von CONVIEN und der Siemens AG, wie die Digitalisierung einen entscheidenden Unterschied machen kann, eine bessere Zukunft zu gestalten. Es geht dabei jenseits des wirtschaftlichen Erfolgs auch darum, einen positiven Beitrag zum Umweltschutz, zur Mitarbeiterzufriedenheit und zum zukünftigen Arbeiten zu leisten und – hoffentlich – eine Inspirationsquelle für andere Unternehmen zu sein.


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Jessica Yari-Miguez

Jessica Yari-Miguez arbeitet als Sales Professional bei der Siemens AG in Mannheim.
Zuvor engagierte sie sich nach einem erfolgreichen Masterstudium in „International Management“ als Consultant Innovation Management bei der Siemens AG im Rahmen der Entwicklung und Implementierung von innovativen Geschäftskonzepten (Fokus: Service-Lösungen und Sustainability as a Business). In diesem Zusammenhang war sie federführend an der Entwicklung des Meeting Point Optimizer beteiligt und war folgend als Product Ownerin für den Betrieb verantwortlich.

Oliver Becherer

Oliver Becherer ist technischer Leiter der CONVIEN GmbH, einer Softwareschmiede aus München, die sich auf
die nachhaltige Optimierung von Geschäftsreisen fokussiert. Er ist seit über 20 Jahren im Bereich Softwareentwicklung tätig – unter anderem in den Bereichen Logistik, Medizintechnik und Meeting/Travel-Management.

Sophie Bleimling

Sophie Bleimling

arbeitet aktuell als Werkstudentin bei der Siemens AG in Mannheim. Nach einem erfolgreichen Bachelorabschluss an der Hochschule Mainz studiert sie derzeit „International Management“ im Master an der Hochschule Worms. Im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Siemens AG unterstützt sie seit ca. einem Jahr das MPO-Team und kann so ihre theoretischen Forschungsschwerpunkte im Bereich Nachhaltigkeit mit der Praxis verbinden.