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Digital Sustainability: Die IT ist Teil der Lösung – als auch Teil des Problems

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Am 6. Juli fand der sechste (virtuelle) Sustainable Transformers Talk der Münchner Innovationsschmiede HYVE statt. Guest Speaker waren Rainer Karcher (Allianz Technology) und Sebastian Gier (Footprint Intelligence). Beim Talk ging es direkt und ungekünstelt zur Sache. Damit gemeint: Unternehmerische Verantwortung im Digitalen Zeitalter. On top gab es am Ende noch ein gelungenes Graphical Recording. Das Video zum Talk ist nach wie vor online – und auch im nachhinein absolut sehens- und hörenswert.

Vorab: Wir (= die fünf Herausgeber*Innen des CDR-Magazins) werden häufiger als Gast zu Veranstaltungen eingeladen, die Bezug zu Digitaler Ethik und/oder Corporate Digital Responsibility haben. Wenn wir dann – wie hier – tatsächlich über eine solche Veranstaltung berichten, dann ausschließlich deshalb, weil wir von ihrer hohen Qualität überzeugt sind. In diesem Sinne sei bereits an dieser Stelle darauf verwiesen, dass das komplette Video des sechsten Sustainable Transformers Talk von HYVE hier online zur Verfügung steht – Anschauen lohnt sich definitiv! Der Beitrag soll daher nur Einzelaspekte der Veranstaltung beleuchten.

Vergleich von Flugzeugindustrie & Digitalwirtschaft

Was war nun das Besondere der Veranstaltung? Nach einer Intro von Gastgeberin Rebekka Bogner von HYVE kamen die beiden Guest Speaker, Sebastian Gier, Mitgründer und Managing Director von Footprint Intelligence sowie Rainer Karcher, Global Head of Sustainability der Allianz Technology direkt auf den Punkt: Sie vermittelten nacheinander spannende Insights und unverblümte Fakten. All dies ohne zu dramatisieren oder die Moralkeule zu schwingen bzw. irgendetwas zu bagatellisieren – im Gegenteil.

Gleich in der ersten Key Note wurden Zusammenhänge verdeutlicht, die man nicht alle Tage zu hören bekommt. So wies Sebastian Gier u.a. darauf hin, dass der Carbon-Footprint des digitalen Business in etwa dem CO2-Footprint der Flugindustrie entspricht – allerdings erwartet man bei der Flugindustrie im Verhältnis weniger Veränderung an dem Anteil globaler Emissionen, während der Energieverbrauch und die Emissionen im Digitalen Bereich laufend signifikant zu nehmen würden. Verringerung von CO2-Emissionen sind in digitalen Bereich definitiv kein „nice2have“! Haupttreiber des Wachstums sei vor allem das besonders energieintensive Thema der Künstlichen Intelligenz (KI).

Schon an dieser Stelle wurde deutlich, dass die hinter der Digitalisierung stehende IT-Infrastruktur und mit ihr die (intelligenten) Algorithmen und Daten sowohl ein Teil des Problems, als auch ein Teil der Lösung sind: Schließlich können ohne KI eine Reihe drängender Herausforderungen kaum gelöst werden – mit KI entstehen aber auch in Hinblick auf Nachhaltigkeit neue Herausforderungen.

Schon allein um diesen Zusammenhang noch deutlicher als bisher zu erkennen, hat sich die Teilnahme am Talk gelohnt, da die hohe Ambivalenz bzw. die Vielschichtigkeit des Themas „Digital Sustainability“ aufgrund ebenso plakativer wie einprägsamer Beispiele anschaulich verdeutlicht wurde.

Emails: 1,8 Terrabyte pro Woche

Das lag auch an Beispielen zu den Herausforderungen und Lösungsansätzen aus dem Allianz-Konzern. Rainer Karcher nahm nicht nur kein Blatt vor den Mund – er outete sich auch als „Klimaaktivist im Anzug“. Zudem zitierte ebenso selbstbewusst wie überzeugend Lisa Neubauer von Fridays for Future – wozu? Am besten selbst reinhören! In seinem folienfreien Vortrag in freier Rede ging es darüber hinaus um viele ganz konkrete Herausforderungen wie Gebäudeautomatisierung, Verantwortung in der Lieferkette, Regulatorik oder das Datenaufkommen durch Emails bzw. die dadurch entstehende Notwendigkeit eines Daten-CleanUps oder den Life Cycle von Hardware.

Alles sehr spannend, informativ und für den einen oder die andere sicherlich neu!

Aufschlussreich war in diesem Zusammenhang die auf drei Säulen beruhende IT-Nachhaltigkeitsstrategie der Allianz. Welche dies sind? Erneut gilt: Das Video selbst anschauen! Aus diesem Grund sei ergänzend zum Talk erwähnt, was im Video kaum betont erwähnt wird: Die Nachhaltigkeitsstrategie der Allianz beruht nicht allein auf der von Rainer Karcher ausgeübten Position innerhalb der Allianz Technology als IT-Tochter der Allianz SE. Vielmehr ist das Thema Digitale Nachhaltigkeit ganz oben im Vorstand der Allianz SE an gleich zwei Stellen aufgehängt: Bei Dr. Günther Thallinger (CFO) als auch bei Dr. Barbara Karuth-Zelle (COO). Insofern ist es umso bemerkenswerter, dass die Allianz einen hochqualifizierten „Freigeist“ wie Rainer Karcher davon überzeugen konnte, in die Versicherungswelt zu wechseln. Ganz sicher werden die genannten Vorstände (und viele andere) damit rechnen müssen, dass Rainer Karcher auch im Unternehmen mit aller Deutlichkeit Dinge ausspricht, die eine Vielzahl anderer Vorstände (anderer Unternehmen) am liebsten überhören würde. Insofern verwundert es nicht, wenn er im Talk den Teilnehmer*Innen empfiehlt, nicht zu kuschen, sondern im Unternehmen laut zu werden.

Respekt vor derart klaren Worten, die man sich ebenfalls am besten im Video im O-Ton anhört!

Schließlich betonte er noch seine Bereitschaft, das in der Allianz aufgebaute Wissen zum Thema „Digital Sustainability“ mit Akteuren anderer Branchen – auch über Wettbewerbsgrenzen hinaus zu teilen. Dies ist eine wichtige Info, denn nicht jedes Unternehmen hat bzgl. “Digital Sustainability” die Ressourcen und Möglichkeiten eines Großkonzerns wie der Allianz – und falls diese bestehen, fehlt es nicht selten an der erforderlichen Offenheit bzw. Kooperationsbereitschaft.

Fragen der Teilnehmer*Innen, Antworten und Zusammenfassung

Ebenfalls gut gelungen war die Frage/Antwort-Session im Anschluss an die beiden Key Notes, bei der die zahlreichen Teilnehmer*Innen des Talks ihre Fragen stellen konnten: Zur Motivation von KMU, zu Quick Wins bei Digital Sustanability, dem CO2-Verbrauch von einer Stunde Netflix oder zu Vergleichswerten bei CO2 im Hinblick auf Autofahren und Smartphone-Nutzung. Auf alle z.T. exotisch, jedenfalls sehr speziell anmutende Fragen folgten ausnahmslos fundierte Antworten. Das erlebt man auch nicht jeden Tag!

Last but not least wurden die Inhalte des Talks am Ende auch noch als Graphical Recording vorgestellt und rekapituliert. Eine gelungenes Ende einer gelungenen und lehrreichen Veranstaltung.

Klare Empfehlung: Das Video des Sustainable Transformers Talk Volume VI selbst anschauen – hier!

Weiterführende Information zu diesem quartalsweise durchgeführtem Format gibt’s hier.

Oliver Merx

arbeitet als Managing Consultant Digital Health in München. Als ausgebildeteter Rechtsassessor mit Schwerpunkt Verwaltungsrecht interessiert ihn vor allem das Zusammenspiel von Recht und CDR. Er ist Gründer der 2019 gegründeten CDR-LinkedIn-Gruppe, Autor des CDR-Playbook, Mitgestalter der CDR-Building-Bloxx sowie des internationalen CDR-Manifesto. Seine CDR-Schwerpunkte liegen im Gesundheitswesen, der agilen Gesetzgebung sowie im KI-Kontext.