Beratung

Status Quo und Top-Themen 2021 – im Gespräch mit CDR-Expertin Angelika Pauer

Während Corporate Digital Responsibility (CDR) für Einige noch ein neues Thema ist, gibt es auch die CDR-Community der ersten Stunde. Und so bietet sich die Möglichkeit, mit CDR-Expertin Angelika Pauer eine Bestandsaufnahme über die bisherigen Entwicklungen zu machen und darüber zu sprechen, was 2021 im Hinblick auf CDR „trenden“ und die größte Relevanz haben wird. Auf den Status Quo bezogen geht es insbesondere darum, ob die erste „CDR-Welle“ schon vorbei ist, was das mit der Begriffsentwicklung zu tun hat und wie der aktuelle Zusammenhang von CDR und Corporate Social Responsibility (CSR) aussieht. Auf die Zukunftsperspektive bezogen spricht Angelika Pauer vor allem über fünf große Themen: die internationale Perspektive, die Einbettung von CDR in die Unternehmenskultur, die Rolle der Stakeholder, die Entwicklung im Bildungsbereich sowie die Etablierung von vergleichbaren Standards.

Wo stehen wir mit Corporate Digital Responsibility aktuell?

Ob wir uns noch mitten in der ersten „CDR-Welle“ befinden oder ob diese schon vorbei ist, kann man so pauschal nicht beantworten. Insgesamt gibt es aber die Tendenz, dass gerade eine erste Konsolidierung stattfindet. Dies spiegelt sich zum Beispiel darin wider, dass sich ein gewisses Verständnis von CDR etabliert hat und erste Unternehmen mit ihren CDR-Ansätzen nach außen treten. In den Beratungsprojekten, die Angelika Pauer bislang betreut hat, zeigt sich auch, wie viele Facetten von CDR in den Unternehmen schon vorkommen – und wie unterschiedlich dementsprechend Beratungsleistungen und -dauer sind: von Projekten, bei denen „nur“ Prinzipiendefinitionen vorgenommen werden und die wenige Woche umfassen, bis hin zu ganzheitlichen Strukturierungsprojekten, in denen CDR agil bearbeitet und in „Häppchen“, also Teilprojekten, angegangen wird, die wiederum insgesamt bis zu einem Jahr andauern können.

Entwicklung des Begriffs „Corporate Digital Responsibility“

Die Durchsetzung der Terminologie ist auch ein Zeichen des Stands der Entwicklung. Der Begriff „Corporate Digital Responsibility“ hat sich ein Stück weit durchgesetzt, so Angelika Pauer. Es war auch der Begriff, auf den ihr Teams gesetzt hat: „Zu Beginn gab es, auch intern, Diskussionen darüber, was es genau ist und wie es genannt werden soll: Ist es Digital Responsibility oder Corporate Digital Responsibility, ist es Digitale Ethik oder Tech Ethik, und was bedeutet es eigentlich?“ Es zeige sich aktuell, aber auch verstärkt international, dass der Begriff CDR bei den Unternehmen als solcher angekommen ist und sich dort als anerkannter Terminus für bestehende Aktivitäten in verschiedenen Bereichen etabliert hat, der Neues hervorruft, aber auch bestehende Aktivitäten bündelt. Genau darin liege auch eine der Besonderheiten von CDR für Angelika Pauer: die vielen Anknüpfungspunkte des Themas in Unternehmen. Ein Beispiel dafür sei der Bereich „Human Resources“. Dort werde sich vermehrt mit der Einführung von Technologien auseinandergesetzt, bei denen es etwa darum geht, die Auswahl von Personen konform mit digital ethischen Fragestellungen zu implementieren. Damit einher gingen auch häufiger Beratungsanfragen, bei denen CDR einen Teilaspekt innerhalb eines größeren Projekts abdecke.

Der Zusammenhang von CDR und CSR

Auf der einen Seite sei es gut für CDR, dass die Ähnlichkeit des Begriffs zur CSR besteht. So kann man von den Erfahrungen lernen. Einer der relevanten Punkte ist dabei, CDR integriert anzugehen. Es brauche ein entsprechende Umsetzungskraft – eine isolierte Abteilung für CDR ohne Ressourcen oder Mittel kann keine Veränderungen hervorbringen. Dies ist auch eine wichtige Voraussetzung, um analog zum „Green Washing“ bei CSR ein „White-“ bzw. „Purpose Washing“ bei CDR zu verhindern. In Kommunikationsabteilungen sollte CDR nicht aufgehangen sein. Ein ebenso wichtiger Lerneffekt der CSR-Historie ist die Notwendigkeit der Etablierung von einheitlichen Standards. Denn nur so kann auch Vergleichbarkeit entstehen. Angelika Pauer erzählt, dass sie sich viel mit dem Audit von Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichten befasst und dort eine Divergenz zu erkennen ist: Der Umfang und die Inhalte der Berichterstattung variieren – und internationale, einheitliche Standards sollten daher schnell geschaffen werden. Auf der anderen Seite ist mit dem CSR-Begriff verbunden, dass es häufig um Rechtfertigung geht. Diese Rolle möchte CDR-Expertin gerne abwenden: „Der CDR-Gedanke sollte viel von dem positiven Gedanken haben, dass es gut für Unternehmen ist und sie es deshalb tun sollten. Es ist nicht die Wahl, ob man dadurch ein gutes oder schlechtes Unternehmen wird, sondern sie brauchen es, wenn sie Erfolg haben wollen. Digitalisierung kann auch scheitern.

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Welche Themen sind für CDR in 2021 besonders wichtig?

Bei einem noch jungen und breiten Thema wie CDR fällt es schwer einzugrenzen, welche Aufgaben die größte Relevanz in den nächsten Monaten haben. Dennoch haben sich im Gespräch mit Angelika Pauer fünf Akzente herauskristallisiert, die teilweise auch Interdependenzen aufweisen:

Internationale Perspektive ausweiten

CDR könne nicht nur auf Deutschland bezogen werden. Ziel sollte es sein, es weltweit zu denken – so wie auch die Unternehmen weltweit denken. In vielerlei Hinsicht ist die Verfolgung einer internationalen Perspektive wichtig: um eine Weiterentwicklung zu ermöglichen, aber auch um eine gewisse Hebelwirkung zu erzielen. Dies gelte beispielsweise für die bereits oben thematisierte Notwendigkeit der Vergleichbarkeit von CDR-Ansätzen und den dahinter liegenden Standards. Es sind bereits in mehreren europäischen Ländern Initiativen dazu hervorgekommen: das Digital Trust Label der Schweiz oder auch das Siegel für digitale Verantwortung in Dänemark. Auch in Polen und Frankreich sind entsprechende Entwicklungen erkennbar. In UK stehe der Begriff der Digitalen Ethik im Vordergrund; die Inhalte seien jedoch ähnlich. Es wird daher spannend werden, wie sich die internationalen Entwicklungen in den nächsten Monaten weiter gestalten und ob eine gemeinsame Basis entsteht. Angelika Pauer beobachtet dies wie folgt: „Ich glaube, das ist das Jahr, in dem wir international intensiver in Gespräche gehen, voneinander lernen – und das ist auch nötig. Wenn wir Vergleichbarkeit wollen, müssen wir auch gemeinsam daran arbeiten“.

Die Rolle der Unternehmenskultur

Die Anstöße für erste Umsetzungen von CDR-Aktivitäten hingen bislang oft von Einzelpersonen ab, der Erfolg dieser Maßnahmen hingegen stark von der Unternehmenskultur, sagt Angelika Pauer. Gerade die ersten unternehmerischen Initiativen, durch welche CDR-Ansätze entstanden sind, erfolgten bottom-up. Das unterstreiche die Bedeutung der Unternehmenskultur für CDR. Zugleich betont die CDR-Expertin aber auch, dass es ohne eine Involvierung auf Top-Ebene nicht gehe – und darüber hinaus eine breite Personengruppe angesprochen werden müsse: „Gerade bei solchen Themen müssen alle relevanten Akteure am Tisch sitzen, und das sind manchmal schon eine ganze Menge“. CDR ist ein Querschnittsthema und damit auch eines, das einen großen Teil der Mitarbeitenden betrifft. Die Balance zwischen bottom-up und top-down sowie die Ausgestaltung des „Mitnehmens“ der Mitarbeitenden ist eine der zentralen und aktuellen Fragestellungen für Unternehmen. Auch weil der Erfolg davon maßgeblich abhängt.

Stakeholder als bislang unterschätzte CDR-Gruppe

Nicht nur die MitarbeiterInnen müssen mitgenommen werden. Ein Kerngedanke der CDR ist, dass die Stakeholder mitgenommen werden. Dies ist eine der entscheidenden Bezugsgrößen und gleichzeitig bisher zu wenig im Blick. Hier gilt es, in Zukunft die Zusammenhänge und Erwartungshaltungen noch mehr zu verstehen. Das „Warum“ spiele eine große Rolle, so Angelika Pauer.

Bildung – in den Unternehmen und in der Lehre

Nachdem die Aufmerksamkeit für Themen wie „Bias in künstlicher Intelligenz“ oder auch „Verantwortlichkeiten von Plattformbetreibern“ im letzten Jahr in der Gesellschaft stark gestiegen ist, sieht man nun vermehrt Nachfrage und Bedarf für Bildungsangebote. Besonders in der Lehre passiert viel, und in den nächsten Monaten werden sich noch mehr Angebote dazu etablieren. Eine der Beobachtungen Pauers dazu ist, dass berufsbegleitend mehr und mehr Nachfrage bestehe. Up-Skilling ist dabei ein entscheidendes Stichwort.

Standards und Prinzipien für die Vergleichbarkeit

Das Thema „Etablierung von Standards“ ist im Gespräch mit Angelika Pauer immer wieder zur Sprache gekommen – hier sieht sie eine große Bedeutung für CDR. Wenn CDR ernst genommen werden soll, liege hier eine entscheidende Komponente sowohl in Bezug auf internationale Relevanz als auch hinsichtlich der Vermeidung von „Purpose Washing“. Eine vollständige Freiwilligkeit von CDR, wie es oftmals verstanden wird, ist langfristig keine Lösung. Es sind bereits erste Ansätze da, wie zum Beispiel den IEEE Standard für Ethically Aligned Design. Daran gelte es nun anzuschließen.

Angelika Pauer ist Senior Managerin bei der PwC GmbH. Hier gründete sie 2018 den Bereich Corporate Digital Responsibility & Digital Ethics Services. Gemeinsam mit Vertretern aus Unternehmen, Forschung und Politik arbeitet sie mit ihrem interdisziplinären Team an Lösungen für eine verantwortungsvolle und ethische Digitalisierung. Seit über zehn Jahren berät sie Unternehmen zur digitalen Transformation. Vor ihrer Tätigkeit bei PwC leitete sie am Fraunhofer IAIS Transformations- und Softwareentwicklungsprojekte mit Fokus auf Big Data, Enterprise Data Integration und künstlicher Intelligenz. Gemeinsam mit dem BVDW entwickelte Sie die “CDR Building Bloxx – Das Framework für Strategie und Umsetzung von CDR”. Sie engagiert sich aktiv in weiteren Initiativen, die an der Gestaltung von Leitlinien und Standards für eine verantwortungsvolle Digitalisierung arbeiten. Außerdem lehrt sie als Dozentin an Universitäten und ist Autorin diverser Publikationen zu den Themen Digital Ethics, Corporate Digital Responsibility und Data Economy.


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