Merck etabliert internationales „Digital Ethics Advisory Panel“

Beim Wissenschafts- und Technologiekonzern Merck spielen Daten eine wichtige strategische Rolle. Im Jahr 2019 sind in verschiedenen Projektteams immer wieder digital-ethische Fragestellungen aufgekommen. Manfred Klevesath, Head of Global Health, Bioethics & Digital Ethics, und Jean Enno Charton, Director Bioethics & Digital Ethics, bearbeiten das Thema „Digital Ethics“ seitdem verstärkt. Als Reaktion auf die interne Nachfrage haben sie unter anderem ein Digital Ethics Advisory Panel berufen. Trotz der Corona-Pandemie hat das Panel bereits mehrere Male getagt. Zu den Hintergründen der Arbeit, den Schritten dahin sowie den Arbeitsabläufen des Digital Ethics Advisory Panel haben wir Einblicke bekommen.

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Unternehmen stehen vermehrt vor der Herausforderung, wie aufkommenden ethischen Fragen in der Digitalisierung begegnet werden kann. So kann eine Auseinandersetzung mit dem Thema „Corporate Digital Responsibility“ (CDR) etwa mit einem strategischen Workshop beginnen, die Identifizierung verschiedener dezentraler Problemstellungen in der Produktentwicklung sein oder auch in der Formulierung eines Ethik-Kodex resultieren – natürlich können auch all diese Themen parallel bearbeitet werden. Das Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck hat als einen von mehreren Schritten zu einer gelebten CDR ein Digital Ethics Advisory Panel gegründet.

WARUM WURDE DAS DIGITAL ETHICS ADVISORY PANEL GEGRÜNDET?

Bei Merck existiert bereits seit 2011 ein Bioethik-Gremium (Merck Bioethics Advisory Panel), mit dem Ziel, auch durch externe ExpertInnen „die rasanten Fortschritte in den Biowissenschaften und der daraus entwickelten Technologien verantwortungsvoll und ethisch einwandfrei“ zu begleiten. Da die existierenden Strukturen des Bioethik Panel die neuen Fragestellungen zur digitalen Ethik inhaltlich nicht mehr ausreichend auffangen können, entstand Handlungsbedarf. Das Digital Ethics Advisory Panel ist daher aus der steigenden internen Nachfrage nach digital-ethischen Auseinandersetzungen und Handlungsempfehlungen aus einem internen Bedürfnis heraus einberufen worden. Für den Prozess der Etablierung sei vor allem der interne Rückhalt, sowohl durch die Partner der verschiedenen Geschäftsbereiche als auch durch die Nachfrage der einzelnen Projektgruppen, wichtig gewesen.

Ursprünglich nur für ein Joint Venture im Bereich Healthcare geplant, wird das Digital Ethics Advisory Panel nun auch für das Gesamtunternehmen aufgebaut (im Bereich Corporate Affairs angesiedelt), um Fragestellungen aus anderen Abteilungen, wie z. B. dem HR-Bereich, künftig zu beantworten – denn es wird immer deutlicher, dass sich Antworten und Perspektiven der digitalen Ethik nicht nur auf Fragen aus Forschungsabteilungen, sondern aus dem gesamten Unternehmen beziehen.

Weitere Gründe für die Verfolgung der digitalen Ethik sind neben den Werten, die Merck als Traditionsunternehmen seinem Handeln zugrunde legt, auch die gesellschaftlichen Erwartungen, verantwortungsvolles Verhalten zu fördern – eine Erwartung, die Merck etwa insbesondere von der Generation Z wahrnimmt und die diese bereits jetzt an Arbeitgeber formuliert. Darüber hinaus sieht Merck einen Wettbewerbsvorteil in den unternehmensinternen Verankerungen einer digitalen Ethik: Durch die Etablierung sollen zudem potentielle Risiken minimiert werden, beispielsweise um Reputationsschäden und rechtliche Probleme abzuwenden, die durch Aktivitäten in Graubereichen entstehen können (legale aber nicht legitime Aktivitäten). Mittelbar kann dies auch Auswirkungen auf den ökonomischen Outcome haben.

Antworten and Perspektiven der chgtalen Ethi< beziehen sich nicht nur auf Fragen aus Forschungsabteilungen, sondern aus dem gesamten Unternehmen.

WAS WAREN DIE INITIALEN SCHRITTE?

Der Aufbau des Digital Ethics Advisory Panel hat sich in mehreren Schritten vollzogen und ist dabei stark an die Erfahrungen mit dem bereits existierenden Bioethik Panel angelehnt. Zunächst wurde –  in einem ersten Schritt – das Konzept für das Panel entwickelt und im Austausch mit der externen Expertin Sarah J. Becker die Idee eine Code of Digital Ethics (CoDE) erarbeitet – in einem längeren, streng wissenschaftlichen Prozess. Der CoDE kann ähnlich einem Kodex verstanden werden. Die fünf Kernthemen des CoDE sind detailliert beschrieben und in Unterkategorien vertieft worden.
Noch während dieser Erstellung des CoDE wurde das Digital Ethics Advisory Panel mit ExpertInnen des Digital-, Governance-, Daten- und Gesundheitswesens besetzt. Das Panel umfasst derzeit fünf externe ExpertInnen (zwei Frauen, drei Männer) und soll zukünftig bei Bedarf ad hoc von weiteren ExpertInnen unterstützt werden. Nach der Erarbeitung eines ersten Entwurfes wurde der CoDE mit den ExpertInnen des Digital Ethics Advisory Panel weiterentwickelt und von diesen final abgesegnet.  Derzeit läuft die Abstimmung mit den einzelnen Geschäftsbereichen von Merck zur Operationalisierung des Konzepts, dem der globale Rollout des CoDE folgen soll.

Bei der Berufung des Panels war Merck besonders wichtig, dass eine internationale Besetzung aus ExpertInnen und UnternehmensvertreterInnen dazu führt, dass das Panel ein globales Ethikverständnis repräsentiert. Das fünfköpfige ExpertInnen-Panel erhält eine Aufwandsentschädigung sowie eine Reisekostenerstattung – angelehnt an die Sätze der Gates Stiftung.

Der CoDE ist zum einen Grundlage für Entscheidungen und Evaluierungen des Digital Ethics Advisory Panel; daneben gibt es aber weitere Einsatzmöglichkeiten: So kann er für die Fachabteilung zur Analyse von digital-ethischen Problemen herangezogen werden oder als ethischer Richtungsweiser für alle MitarbeiterInnen dienen, sowie zur externen Kommunikation einer digital-ethischen Positionierung von Merck verwendet werden.

Ergebnisse werden alien VitarbeiterInnen zuganglich gemacht und tragen so zur unternehmenswelten Sensibillsierung und zurn kompetenzaufbau bei.

WIE ARBEITET DAS PANEL?

Bei Auftreten einer digital-ethischen Problemstellung, die sich im Unternehmen ergibt, tagt das Panel ad-hoc, um sich mit dieser konkreten Fragestellung zu beschäftigen. Zunächst bereiten die betroffenen Teams hierzu eine schriftliche Ausarbeitung vor und tragen dem Panel in einem zweiten Schritt ihre Fragestellung vor. Im Rahmen der Vorbereitung werden die Teams vom internen Digital Ethics Team unterstützt. Nach der Tagung des Panels erarbeiten die Panelmitglieder eine schriftliche und nicht-bindende Empfehlung. Dieses Ergebnis muss im Panel nicht einstimmig getroffen sein – von der Empfehlung abweichende Perspektiven werden den Teams transparent gemacht.

Nach einer gewissen Zeitspanne berichten die Teams dem Panel, wie sich das in der Empfehlung vorgeschlagene Vorgehen bewährt hat. Dies erfolgt auch aus Transparenzgründen: Die Ergebnisse werden, sofern keine Geschäftsgeheimnisse enthalten sind, anschließend allen MitarbeiterInnen öffentlich zugänglich gemacht und tragen so zur unternehmensweiten Sensibilisierung und zum Kompetenzaufbau bei.

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Marie Blachetta

Seit dem 1. Januar 2020 hat Marie Blachetta die Position der Redaktionsleitung für das neue Online-Magazin zum Thema „Corporate Digital Responsibility“ bei der Initiative D21 inne.